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Spezifik sozialpädagogischer Beratung

im Kontext der Arbeitsfelder der Kinder- und Jugendhilfe

 

Vortrag von Dr. Oskar Klemmert

an der Fachhochschule Erfurt

am 22.10.2013

 

Sehr  geehrte Damen und Herren,

 

als ich von der Einladung  erfuhr, heute vor Ihnen über das Thema "Spezifik sozialpädagogischer Beratung in der Kinder und Jugendhilfe" zu sprechen, sah ich mich herausgefordert,  mich gedanklich erstmals auf diesen systematischen Blickwinkel vertieft einzulassen.

Das vorgegebene Thema verstehe ich so, dass die Besonderheiten sozialpädagogischer Beratung in den verschiedenen Arbeitsfeldern der Kinder- und Jugendhilfe dargestellt werden sollen. Bevor ich auf diese Thematik näher eingehe, werde ich einführend einige wesentliche Gemeinsamkeiten aller Arbeitsfelder der Kinder - und Jugendhilfe ansprechen - und damit zugleich ihre Besonderheit im Verhältnis zu anderen Handlungsfeldern der Sozialen Arbeit wie zum Beispiel der Drogenhilfe, der Ausländerberatung  oder der Obdachlosenhilfe. 

 

1. In allen Handlungsfeldern geht es, wie im Kinder- und Jugendhilfegesetz gleich zu Beginn dargelegt, um die Förderung der Entwicklung und die Erziehung von jungen Menschen zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit.

 

2. Sozialpädagogische Beratung kann sich sowohl an die Kinder und Jugendlichen selbst wenden als auch an ihre Eltern und Erzieher sowie weitere Angehörige. Dieser erste grundsätzliche Blick auf die Adressaten einer sozialpädagogischen Beratung im Kontext der Kinder- und Jugendhilfe macht schon deutlich, dass es in ihr direkt oder indirekt immer um das Wohl der Kinder geht. Eltern und andere Bezugspersonen der Kinder, die Beratung suchen, handeln fremdnützig für die ihnen anvertrauten, noch nicht mündigen Kinder und Jugendlichen. Sozialpädagogische Beratung  wendet sich daher den Eltern und Angehörigen von Kindern und Jugendlichen immer mit Blick auf  die Erziehung und Versorgung der Kinder zu. So umfassend tatsächlich das persönliche Interesse an der Lebenssituation und den Lebensproblemen der Eltern - weit über ihre Elternrolle hinaus -  werden kann, so klar ist zugleich, dass sie keinen Zugang zu einem sozialpädagogischen Beratungsangebot im interessierenden Sinne finden könnten, wenn sie kinderlos wären und nicht in irgendeiner Weise persönliche Verantwortung für das Aufwachsen von Kindern tragen würden.

 

3. Neben der adressatenbezogenen Unterscheidung zwischen Kindern und ihren Angehörigen liegt eine zweite kontextbezogene Unterscheidung des interessierenden Handlungsfelds nahe: nämlich die bekannte Unterscheidung zwischen so genannter "funktionaler Beratung" und "institutioneller Beratung". Von funktionaler Beratung wird  z. B. bei Belardi u. a. in ihrer Einführung in die sozialpädagogische Beratung gesprochen, wenn Beratungssituationen sich im Zusammenhang mit anderen Aufgaben wie zum Beispiel Betreuung, Erfahrungsaustausch und Freizeitbildungsangeboten als "Querschnittsaufgabe" in fließenden Ãœbergängen ergeben. Nachfolgend wird  präziser von impliziter Beratung gesprochen, weil es für die Beteiligten kein ausdrücklich hergestelltes Beratungssetting gibt. Statt von institutioneller Beratung wird entsprechend der komplementäre Gegenbegriff der expliziten Beratung verwendet, wenn der professionelle Kontakt institutionell ausdrücklich als Beratungskontakt gekennzeichnet ist

 

Geht man von diesen beiden grundlegenden Unterscheidungen aus, ergibt sich entsprechend die Möglichkeit, das interessierende thematische Feld in vier Handlungsfelder zu unterteilen:

 

1.      Implizite Beratung von Eltern und Angehörigen, z. B. Erziehungsbeistandschaft, Kinderbetreuung, Sozialpädagogische Familienhilfe

2.      Explizite Beratung von Eltern und Angehörigen, zum Beispiel Erziehungsberatungsstellen, Allgemeiner Sozialdienst des Jugendamts, Beratung von Pflegeeltern und Vormündern

3.      Implizite Beratung von Kindern und Jugendlichen, zum Beispiel Jugendgerichtshilfe, Jugendarbeit und Kindertagesbetreuung

4.      Explizite Beratung von Kindern und Jugendlichen, z. B. offene Sprechstunde im Stadtteilzentrum.

 

Aus Zeitgründen muss auf eine vollständige Diskussion sämtlicher Handlungsfelder selbstverständlich verzichtet werden. Ich werde in meinen weiteren Ausführungen jeweils exemplarisch die vorgenannten allgemein geläufigen Handlungsfelder ansprechen und ihre jeweiligen typischen Anforderungen kurz erläutern.


1. Implizite Beratung von Eltern und Angehörigen 

 

 Implizite Beratungsaufträge bestehen in den meisten Feldern der Hilfen zur Erziehung:

So soll der Erziehungsbeistand zum Beispiel das soziale Umfeld des Kindes einbeziehen. Die Kommunikation mit den Angehörigen über die Situation des auffällig gewordenen Jugendlichen und einen sinnvollen Umgang mit ihm nimmt en passant regelmäßig beraterische Formen an.

 

Eine  typische Form von implizitem Beratungsauftrag ist der gesetzgeberische Hinweis auf die Elternarbeit im Rahmen der Erziehung in einer Tagesgruppe. Die Praxis zeigt, dass die Initiative zur Beratung hier nicht selten von den Professionellen ausgeht, die ihre kindbezogenen Wahrnehmungen gegenüber den Eltern darlegen wollen, um die Versorgung und Erziehung der Kinder auch im häuslichen Umfeld zu verbessern. Je stärker diese Anliegen sind, desto eher wird eine geschützte und länger dauernde Gesprächssituation geschaffen. Zu diesem Zweck nehmen die  turnusgemäß stattfindenden Elterngespräche, die eher einem allgemeinen Informationsaustausch dienen, in bestimmten Gesprächsphasen die Form einer Beratung an. Darüber hinaus ist es nicht ungewöhnlich, wenn aus besonderen Anlässen zusätzliche Beratungsgespräche von den Erziehern initiiert werden.

 

Ganz ähnlich verhält es sich in den regelmäßigen Gesprächen zwischen Heimerzieherinnen und leiblichen Eltern. Eltern haben i. d. R. einen hohen Informationsbedarf über die Geschehnisse im Heimalltag. Andererseits bedeutet für die Erzieher die Wahrnehmung ihres gesetzlichen Auftrags, zur Verbesserung der Erziehungsbedingungen der Herkunftsfamilie beizutragen, aktiv Beratungsgespräche zu initiieren. 

 

Es lässt sich festhalten: die Beratung von Eltern durch Betreuungseinrichtungen für Kinder hat eine besondere Qualität. Beide Seiten sind wichtige Bezugspersonen derselben Kinder und sind insoweit auf gleicher Augenhöhe an Zusammenarbeit und Austausch interessiert. Andererseits wird dieses scheinbar egalitäre Verhältnis immer wieder gebrochen mit den Stellungnahmen, in denen der Professionelle sich in eine aktive Beraterposition erhebt oder von den ratsuchenden Eltern gehoben wird. Die Besonderheit der kindbetreuenden Handlungsfelder der Kinder- und Jugendhilfe scheint also grundsätzlich darin zu liegen, dass Rollendefinitionen und Gesprächsaufträge situativ akzeptiert und ggf. neu verhandelt werden müssen. Das Risiko konkurrierender Rollen - und Situationsverständnisse ist grundsätzlich erhöht. Die Fachkraft läuft ständig Gefahr, einerseits in einer selbst gewählten Beraterposition abgelehnt zu werden, andererseits aber auch unerwartet auftretende Beratungswünsche von Eltern frustrieren zu müssen.  

 

Einen impliziten Beratungsauftrag enthält auch die Sozialpädagogische Familienhilfe, wenngleich der gesetzliche Auftrag lediglich von Betreuung und Begleitung spricht. Denn die geistige Auseinandersetzung mit familiären Alltagsproblemen und die Erarbeitung von alternativen Handlungsmöglichkeiten der Eltern gehört regelmäßig zur Maßnahmenbeschreibung der Sozialpädagogischen Familienhilfe in den Hilfeplänen.       

 

 

2. Explizite Beratung von Eltern und Angehörigen

 

Das prominenteste und in der Fachliteratur am breitesten dargestellte Feld expliziter Elternberatung ist zweifellos die Erziehungsberatung. Es gibt in der traditionellen Erziehungsberatungsstelle ein klar definiertes Setting außerhalb des familiären Alltags. Im Unterschied zum gemeinwesenorientierten Stadtteilzentrum gibt es keine unverbindlichen Vorkontakte in offenen Begegnungssituationen. Der Berater wird in keiner Weise Teil der alltäglichen Lebenswelt der Familie (wie bei der aufsuchenden Familientherapie), er unterliegt der Schweigepflicht und interveniert - unterhalb der Schwelle der Kindeswohlgefährdung -  in keiner Weise in das Familiensystem, auch nicht indirekt durch eine vom Elternwillen unabhängige Kooperation mit anderen Einrichtungen und Institutionen.

 

Auch der Allgemeine Sozialdienst des Jugendamts setzt bekanntlich den Anspruch der Eltern auf Beratung in Erziehungs- und Partnerschaftsragen um. Der doppelte gesetzliche Auftrag des Jugendamts, Hilfs- und Kontrollinstanz zugleich zu sein, kann dazu führen, dass ein anfänglicher freiwilliger und der Schweigepflicht unterliegender Beratungswunsch der Eltern in Kontrolle umschlägt. Das Jugendamt verlässt aufgrund seiner gesetzlichen Garantenstellung bei möglichen Kindeswohlgefährdungen dann die beraterische Außenposition. Es formuliert in Fällen, in denen die Erziehungsfähigkeit eines Elternteils in Frage steht,  verbindliche Verhaltenserwartungen  und überprüft deren Einhaltung. Es schätzt ggf. unter Anrufung des Familiengerichts ein, welche Sorgerechtsregelung dem Kindeswohl am besten entspricht. Das Pendel zwischen Hilfe und Kontrolle schlägt nun stärker zur Kontrolleseite aus, was zugleich keineswegs ausschließt, dass Beratungselemente weiterhin eine wichtige Rolle spielen. Bei weitem nicht alle Eltern machen "dicht". Nicht wenige Eltern, die unter Druck stehen, wenden sich nach meiner Erfahrung sogar ganz direkt an den Jugendamtsmitarbeiter mit Fragen, wie sie sich in bestimmten Situationen verhalten sollen und sichern sich auf diese Weise dessen Wohlwollen.

Mitarbeiter des Allgemeinen Sozialdiensts sind also in besonderer Weise gefordert, ihre Rolle gegenüber den Eltern immer wieder transparent zu machen und ihre jeweilige Einschätzung der familiären Situation deutlich zu machen.             

 

Analog haben Pflegeeltern und Vormünder einen Anspruch auf Beratung und Unterstützung durch das Jugendamt. Der Kontrollaspekt wird im § 53 Abs. 2 KJHG hervorgehoben: das Jugendamt "hat beratend darauf hinzuwirken, dass festgestellte Mängel im Einvernehmen mit dem Vormund oder dem Pfleger behoben werden."

 

 

3. Implizite Beratung von Kindern und Jugendlichen

 

Implizite Beratungsaufträge an Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene finden sich ebenfalls in unterschiedlichen Handlungsfeldern der Kinder- und Jugendhilfe.

Die  Jugendgerichtshilfe z. B. als Teil der sogenannten "anderen Aufgaben der Jugendhilfe" hat auf der Ebene der gesetzlichen Auftragsformulierungen die Form eines impliziten, gleichsam versteckten Beratungsauftrags gegenüber dem Jugendlichen. Auch wenn im Vordergrund zunächst die diagnostische und prognostische Einschätzung des Verhaltens des Jugendlichen gegenüber dem Gericht sowie die Betreuung des Jugendlichen im Gerichtsverfahren steht, ergeben sich im alltäglichen Kontakt zwischen dem Jugendgerichtshelfer und dem Jugendlichen offensichtlich eine Fülle von Beratungsmomenten.

Der Jugendgerichtshelfer befindet sich im Kontext einer solchen Beratung oft in einem schwierigen Dilemma, da ihm einerseits kein allgemeines Schweigerecht gegenüber dem Gericht zusteht, er andererseits aber auch durch das ihm anvertraute Hintergrundwissen nicht erst eine gerichtliche Bestrafung herbeiführen darf. Im direkten Kontakt kann der Jugendgerichtshelfer das Vertrauen seines Gegenübers nur gewinnen, wenn er eine gewisse Vertraulichkeit zum Beispiel in Hinblick auf die infrage stehenden Tathergänge zusichert. Letztlich kann von einer beraterischen Grundhaltung des Jugendgerichtshelfers deshalb gesprochen werden, weil er es dem Jugendlichen oder jungen Erwachsenen selbstverantwortlich überlassen muss, ob er vor Gericht tatgeständig ist oder nicht.

 

Während in einer solchen mehrfachen Auftragskonstellation die für eine rein beraterische Position wesentliche Zurückhaltung schon aus gesetzlichen Gründen nur eingeschränkt durchzuhalten ist, gibt es andererseits Handlungsfelder der Kinder- und Jugendhilfe mit implizitem Beratungsauftrag, in denen die Freiwilligkeit der Beratung und die Unabhängigkeit des Handelns sowohl auf der Seite des Minderjährigen als auch auf Seiten des Professionellen umfassend gewährleistet ist.

 Die Jugendarbeit z. B. und zum Teil die Soziale Gruppenarbeit eröffnet  zwanglos Möglichkeiten der Gruppenberatung bzw. Gruppensupervision wie auch einer nachfolgenden Einzelberatung.

 

Selbst im Kontext der Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen und der Kindertagespflege entstehen fortlaufend kleine Beratungssequenzen zwischen den Kindern und den Fachkräften. Wie wir seit den  grundlegenden entwicklungspsychologischen Forschungsarbeiten von Selman und Flavell wissen, sind erst Schulkinder mit dem Erreichen der Stufe der selbstreflexiven Perspektivenübernahme in der Lage, einen wirklichen Dialog zu führen und entsprechend Eltern und Erzieher als Ratgeber wahrzunehmen.

Vorschulkinder suchen Erzieher ebenso wie Eltern in erster Linie als Helfer und Beschützer in akuten Situationen, in denen sie sich alleine überfordert fühlen. Sie  zeigen auf unterschiedliche Weise, dass sie in einer bestimmten Situation nicht wissen, wie ein technisches Problem zu lösen ist oder wie sie sich in sozialer Hinsicht verhalten sollen. Diese hieraus resultierenden kindlichen Grundfragen "Wie geht das?" "Was kann ich tun? "Was darf ich tun?" stellen bereits die prototypische Grundform von Beratung bereit. Das Kind zeigt, sich ad hoc überfordert zu fühlen, das Heft des Handelns aber zugleich in den eigenen Händen halten zu wollen.  

 

Ein empathischer Umgang mit Vorschulkindern wird  niemals Gefahr laufen, den Beratungsaspekt im engeren Sinne zu verabsolutieren. Es braucht das gesamte Spektrum sozialpädagogischen Handelns  - also v. a. Information, praktische Unterstützung und Vermittlung von Hilfen sowie emotionale Anteilnahme und Ermunterung, damit das Kind das Gefühl hat, dass ihm wirklich geholfen wurde.

Wenn ich in Bezug auf Vorschulkinder die Frage nach der Spezifik stelle, dann erscheint die Erfahrung bedeutsam, dass Kinder in diesem Alter sich vornehmlich dann öffnen und Rat suchen, wenn sie sich "wie zuhause" und wenn sie sich gemocht und angenommen fühlen. Sie vergessen gleichsam den professionellen Kontext der Kindertagesstätte, professionelle Beratung wird als Alltagsberatung erfahren.

Vergleichbares kann auch bei Grundschulkindern in der Ãœbermittagsbetreuung oder in der Freizeitgruppe geschehen. 

      

Es zeigt sich, wie breit das Spektrum von impliziten Beratungskontexten in der Kinder- und Jugendhilfe ist. Beraterische Situationen können sich eigentlich ab einem gewissen, den Dialog ermöglichenden Entwicklungsalter der Kinder in allen sozialpädagogischen Handlungsfeldern ergeben. 

 

 

4. Explizite Beratung von Kindern und Jugendlichen

 

Während die zuletzt beschriebene implizite Beratung in sozialpädagogischen Institutionen gleichsam im Gewand von Alltagsberatung auftreten kann, stellt sich in expliziten Beratungszusammenhängen die Situation anders dar.

Versteht man explizite Beratungssituationen so, dass man sich an eine Beratungsstelle wenden muss, ist der Gang dorthin für Kinder natürlich noch viel zu fremd und hochschwellig und dementsprechend erst im Jugendalter regelmäßig zu erwarten. Kinder und auch Jugendliche wenden sich nur in den seltensten Fällen an das Jugendamt oder an eine Fachberatungsstelle. Sie wenden sich sicherlich am ehesten an die Vertrauenspersonen, die ihnen aus dem Alltag vertraut sind - also zum Beispiel eher an die Erzieherin in der Kindertagesstätte oder die Sozialpädagogin im Jugendfreizeitzentrum. Explizite Beratungsangebote in der Kinder und Jugendhilfe müssen schon öffentlich auf sich aufmerksam machen, damit das im Kinder- und Jugendhilfegesetz im § 8 KJHG verankerte Recht von Kindern und Jugendlichen, selbstständig beraten zu werden, auch tatsächlich in notwendigem Ausmaß ausgeübt werden kann, zum Beispiel indem im Stadtteilzentrum Aushänge platziert werden, auf denen eine offene Sprechstunde angeboten wird oder der Klassenlehrer auf die Sprechstunde des Schulsozialarbeiters aufmerksam macht.  

 

Dennoch gibt es aus dem Blickwinkel von älteren Kindern gesprochen sehr wohl das bewusste Aufsuchen von professionellem Rat. Je größer die Sorge, desto größer dürfte in aller Regel die Hemmschwelle sein und desto bewusster der Schritt, sich Rat und die dadurch erhoffte äußere Unterstützung zu holen. Zu denken ist hier an die Vielzahl von "schlechten Geheimnissen", die Kinder mit sich herumtragen, etwa im Zusammenhang  mit Gewalt,  sexuellen Missbrauch oder sozialen Dauerkonflikten und Ausgrenzungen verschiedenster Art.

 

 Einen expliziten Beratungsauftrag gegenüber Kindern und Jugendlichen schreibt das KJHG in §36.1 vor, um die Mitwirkung von Kindern und Jugendlichen bei einer anstehenden Entscheidung über die Inanspruchnahme von sozialpädagogischen Hilfen sicherzustellen. Der Gesetzgeber möchte, dass vor oder während der erforderlichen Hilfeplangespräche den Kindern altersgerecht erklärt wird, welche Maßnahme in Zukunft beabsichtigt ist und die Haltung der Kinder berücksichtigt wissen. 

 

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass explizite Beratungsaufträge gegenüber Kindern und Jugendlichen überwiegend im Bereich der freiwilligen Leistungen der Jugendhilfe bestehen,  jedoch nur in geringem Umfang im Kontext der sogenannten "anderen Aufgaben der Jugendhilfe". In ihnen kommt das staatliche Wächteramt der öffentlichen Jugendhilfe zum tragen. Sobald eine Gefährdung des Kindeswohls im Raume steht, tritt der Gedanke der Beratung der betroffenen Kinder als Hilfe zur Selbsthilfe zurück und die stellvertretende Situationseinschätzung und gegebenenfalls daran anschließende Intervention des Jugendamts in den Vordergrund.

 

 

5.  Resümee

 

Der kurze Ãœberblick über verschiedene Handlungsfelder der Kinder- und Jugendhilfe hat gezeigt, dass es ein großes Spektrum unterschiedlicher Rahmenbedingungen gibt, die unmittelbare Auswirkung auf die Beratungsanlässe, die Beratungsinhalte und den Beratungsstil haben.  In allen Handlungsfeldern gibt es zumindest gelegentlich Beratungsanlässe - sei es gegenüber den Kindern und Jugendlichen, sei es gegenüber den Eltern und Angehörigen.

Alle geschilderten Handlungsfelder weisen dabei Alleinstellungsmerkmale auf.

Diese Erkenntnis macht verständlich, dass nach herrschender Meinung eine einheitliche Theorie sozialpädagogischer Beratung nicht zu leisten ist, selbst wenn andere Handlungsfelder der Sozialen Arbeit ausgeklammert werden.

Die in vielen Arbeitsfeldern erkennbar gewordene spezifische Herausforderung für den Sozialpädagogen, Hilfs- und Kontrollinstanz zugleich zu sein, stellt eine besondere Herausforderung für die Beziehungsgestaltung und Gesprächsführung dar. Gesetzliche Zielvorgaben und beraterisches Verständnis und Einfühlungsvermögen bedürfen der praktischen Vermittlung. Es hat sich gezeigt, dass die von Hermann Giesecke in seinem bekannten Werk "Pädagogik als Beruf"  getroffene Grundaussage, das Lernziel werde in der Beratung vom Ratsuchenden selbst gesetzt, jedenfalls auf allgemeiner Ebene nicht immer uneingeschränkt gilt.

Der Sozialpädagoge ist entsprechend gefordert, immer wieder sein aktuelles Rollen- und Aufgabenverständnis transparent zu machen. Er braucht ein breites und flexibel einsetzbares Repertoire an Beratungsfertigkeiten, um den häufig wechselnden Herausforderungen gerecht zu werden.    

 

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit!

 

 

Literatur:

Belardi, Nando u. a. (2011): Beratung. Eine sozialpädagogische Einführung. Juventa Verlag. Weinheim und München

Flavell, John H. (1979): Kognitive Entwicklung. Klett-Cotta. Stuttgart

Giesecke, Hermann (2003): Pädagogik als Beruf. Juventa.Weinheim 

Selman,Robert L (1984): Die Entwicklung des sozialen Verstehens. Entwicklungspsychologische und klinische Untersuchungen. Suhrkamp. Frankfurt am Main. 

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