Qualität von Gutachten Teil 2 

2. Die Leitfragen in familienpsychologischen Verfahren nach dem Wohlergehen von Kindern und Jugendlichen, nach der Erziehungsfähigkeit von Eltern und geeigneten Hilfen für Kinder, Jugendliche und Eltern bzw. Familien betreffen einen einheimischen Gegenstand der Erziehungswissenschaft bzw. der Sozialpädagogik als Fachdisziplin. Hochschulabsolventen der Erziehungswissenschaft /Pädagogik und der Sozialarbeit /Sozialpädagogik sind daher grundsätzlich in besonderer Weise qualifiziert, Sachverständigengutachten im familiengerichtlichen Verfahren zu erstellen. Psychologen verfügen insofern über eine spezifische Qualifikation, als sie in der Regel fundierte Grundkenntnisse in testpsychologischen Verfahren mitbringen, die jedoch eher  in Ausnahmefällen mit feldspezifischen Kenntnissen einhergehen. Abhängig von der konkreten Fragestellung verfügen darüberhinausGerichtsmediziner und erfahrene Kinderärzte über eine spezifische Qualifikation,etwa wenn es um die Abklärung eines Verdachts auf körperliche Gewalt oder körperlicher Vernachlässigung von Kindergeht. Kinder- und Jugendpsychiater erscheinen ebenfalls insbesondere bei Fragestellungen als außerordentlich qualifiziert, die die diagnostische oder prognostische Einschätzung von kinder- und jugendpsychiatrischen Erkrankungen und die sich daraus ergebenden besonderen Hilfe- und Therapiebedarfe der Kinder betreffen. Fachärzte für Psychiatrie verfügen über eine unersetzliche Qualifikation in all den Fällen, in denen die Frage nach einer eingeschränkten Erziehungsfähigkeit im Zusammenhang mit einer psychiatrischen Erkrankung der Erziehungsberechtigten bzw. das Sorgerecht begehrenden Elternperson steht. Von Psychologischen Psychotherapeuten sowie Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeuten kann ein vertiefter diagnostischer Blick ebenso erwartet werden wie die Fähigkeit zu einer positiven Beziehungsgestaltung.

Das ohnehin sophistische Argument, nur Psychologen könnten familienpsychologische Gutachten erstellen, erledigt sich obendrein aufgrund der eigenen Selbstwidersprüchlichkeit, gibt es den Familienpsychologen noch nicht einmal als offizielle Berufsbezeichnung.

Der nun vorliegende Referentenentwurf berücksichtigt exakt die vorgenannten Berufsgruppen in der Neufassung des §163 Abs. 1 FamFG. Es ist zu hoffen, dass dem zu erwartenden Protest der Psychologen-Lobby im weiteren Gesetzgebungsverfahren nicht nachgegeben wird.

 

3. Ebenso wichtig wie eine berufliche Basisqualifikation dürfte eine mehrjährige feldspezifische Berufserfahrung sein. Das Erstellen von Sachverständigengutachten im familienrechtlichen Verfahren ist zweifellos kein Übungsfeld für Berufsanfänger. Es gibt wohl auch nach aller Erfahrung kein Grund zu der Annahme, dass Richter dies anders sehen

4. Da die universitäre Ausbildung insgesamt wenig feldspezifisch, sondern notwendig generalistisch ist, liegt es im Zusammenhang mit gesetzgeberischen Überlegungen zu einer verbesserten Qualifikation von forensischen bzw. familienpsychologischen Sachverständigen nahe, einschlägige Weiterbildungen verbindlich zu machen. Es erscheint jedoch aufgrund der vorgenannten Überlegungen in keiner Weise sachgerecht, solche Weiterbildungsangebote zu monopolisieren, die sich ausschließlich an Diplom-Psychologen wenden. Angesichts der kontroversen fachlichen Debatte über den Qualitätsbegriff kann es nicht Aufgabe des Gesetzgebers sein, einseitig fach- und berufspolitisch Partei zu ergreifen. Vielmehr wäre vom Gesetzgeber zu erwarten, dass er das gesamte Spektrum an feldspezifisch relevanten Weiterbildungenberücksichtigt, also insbesondere familientherapeutische, kinder- und jugendtherapeutische,gesprächstherapeutische, mediatorische und lösungsorientierte Weiterbildungen sowie sicherstellt, dass gerichtspsychologische Weiterbildungen für alle relevanten Berufsgruppen offen bleiben.

In diesem Zusammenhang stellt sich naturgemäß immer auch die Frage nach der Qualifikation der Qualifikateure, die die Weiterbildung anbieten. Als leicht praktikabel, aber nicht sachgemäß stellt sich die mögliche Leitlinie dar, nur im Krankenkassenbereich anerkannte psychotherapeutische Richtlinienverfahren anzuerkennen. Denn es geht nicht um die Zuschreibung von psychischen Erkrankungen, sondern um die Ermöglichung möglichst kindeswohldienlicher Sorgerechtsentscheidungen.

 

5. Last but not least ist natürlich auch anzuerkennen, dass neben den kommunikativen und diagnostischen Kompetenzen des Gutachters die in der Hagener Studie allein betonteBefähigung zu einer wissenschaftlichen Erhebung und Analyse der gewonnenen Daten ein wesentliches Qualitätsmerkmal darstellt. Dennoch besteht überraschender Weise aller Anlass, an die  allgemein bekannte Tatsache zu erinnern, dass eine Promotion gemeinhin als Nachweis einer besonderen Befähigung zum wissenschaftlichen Denken und Arbeiten gilt - und zwar unabhängig davon, ob es sich hierbei um eine Promotion an der psychologischen Fakultät oder zum Beispiel an einer medizinischen oder erziehungswissenschaftlichen Fakultät handelt. Obwohl bereits die merkwürdig selektive Zahl der promovierten Diplom-Psychologen fast genauso groß ist wie die Zahl der approbiiertenPsychotherapeuten und obwohl Stürmer und Salewski gerade eine wissenschaftliche Vorgehensweise zum Alleinstellungsmerkmal für Qualität erheben, ist dieser Gesichtspunkt schon bei der Datenauswertunggänzlich unberücksichtigt geblieben .



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Rubrik: Qualität von Gutachten
Institut zur Förderung des Kindeswohls Dr. Oskar Klemmert - Gutachten, Mediation, Therapie, Beratung, Interaktionsbegleitung